Dr. Hans-Peter Bartels, Präsident der Gesellschaft für Sicherheitspolitik und früherer Wehrbeauftragter, sprach beim Marinefliegerkommando Nordholz über „Wie viel Führung verlangt Verantwortung – Deutschland ungeklärte sicherheitspolitische Rolle“.

Die Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP) ist ein unabhängiger, überparteilicher Verein, der sich ehrenamtlich der Vermittlung sicherheitspolitischen Verständnisses in der Bevölkerung widmet. 2022 besteht er 70 Jahre. Zum öffentlichen Vortrag begrüßte der scheidende Kommandeur, Kapitän zur See Thorsten Bobzin, zahlreiche Offiziere, Kommunalpolitiker, Interessierte sowie Schüler des Politik-Leistungskurses des Amandus-Abendroth- sowie Lichtenberg-Gymnasiums Cuxhaven.

Zurzeit steht jeder sicherheitspolitische Vortrag vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Dr. Bartels ging auf die von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) konstatierte „Zeitenwende“ ein. Was vorher für nahezu unmöglich gehalten wurde – Krieg in Europa – ist eingetreten. War es vorherzusehen? Dr. Bartels ist sich nicht sicher: „In der Politik fährt man auf Sicht.“ Niemand habe den Fall der Mauer, den 11. September oder den Brexit vorhergesehen – auch nicht am Abend vor dem Ereignis.

Wenn China sich vornehme, bis 2049 die globale Vormachtstellung zu erreichen, so Dr. Bartels auf eine Schülerfrage, dann handele es sich zunächst um einen Plan. „Wir im Westen halten viel zu oft einen Plan für Wirklichkeit“, so Dr. Bartels. Auf dem Weg zum Ziel stünden China enorme Herausforderungen wie immens steigende Rentenzahlungen, disruptive (störende) Ereignisse und Widerstand im Westen entgegen. Umso mehr sei es nötig, auf das vorbereitet zu sein, was im Moment noch als unwahrscheinlich gelte.

Gerade für Deutschland, viertgrößte Volkswirtschaft der Welt und größter EU-Staat, verlange Weitsicht stärkeres Engagement in Sicherheitspolitik. Dr. Bartels machte seinen Standpunkt anhand des 100-Milliarden-Euro-Sondervermögens der Bundeswehr deutlich und mahnte ein „Beibehalten des Momentums“ an. „Für 2023 sind nur Zusatzausgaben von 8 Milliarden Euro vorgesehen“, kritisierte er. Wenn das so weitergehe, schrumpfe der Effekt, den das Sondervermögen generieren sollte, auf ein verantwortungsloses Minimum.

Dr. Bartels mahnte realistischeren Blick auf die Dinge einschließlich des Zustandes der Bundeswehr und effizientere Umsetzung der Vorhaben an. Wichtig sei Konsens innerhalb der Gesellschaft auf eine wehrhafte Demokratie. Die de facto- Führungsrolle erkenne man daran, dass viele europäische NATO-Staaten eine engere bilaterale Kooperation mit Deutschland suchten.

Das Deutsch-Niederländische Corps diene vielen ausländischen Militärs als Vorbild. Perspektivisch könne er sich daher sehr gut die weitere europäische Integration der militärischen Fähigkeiten vorstellen – schließlich habe die EU mehr Soldaten als die USA oder Russland. Aus den Worten Dr. Bartels’ war deutlich zu entnehmen, dass er sich bei diesem Prozess nicht auf eine systemische Selbstorganisation verlassen wolle. Es bedürfe Initiative – Führung.

Politikkurslehrer Marten Grimke bedankte sich bei den Organisatoren für den Expertenaustausch und die Diskussion und ergänzte: „Vor dem Hintergrund der derzeitigen sicherheitspolitischen Lage in Europa steht nicht nur unsere Bundeswehr vor neuen Herausforderungen. Für unsere Gesellschaft, explizit für unsere Schülerinnen und Schüler, bedeutet das, sie auf mögliche Krisen und Konflikte gut vorzubereiten, so dass sie werteorientiert und angstfrei durchs Leben gehen können.“

Kursfoto mit Dr. Hans-Peter Bartels